Die Tradition der Copla

Ein Begriff, das im Tanztraining immer wieder fällt, ist copla. Damit ist eine lebendige, poetische Form gemeint, die tief in der spanischen und lateinamerikanischen Volkskultur verwurzelt ist – und damit auch in der argentinischen Folklore. Dort wird sie nicht nur gesungen, sondern auch improvisiert, auf Festen ausgetauscht und als poetischer Ausdruck kollektiver Erfahrung weitergetragen. Doch was genau ist eine Copla – und wie lässt sich ihre Bedeutung deutschsprachigen Folklore-Interessierten nahebringen?

Copla: Von Spanien bis zu den Anden

Ursprünglich stammt die Copla aus der spanischen Literatur und Liedtradition: eine vierzeilige Strophe, meist mit acht Silben pro Zeile (Silbenmaß: arte menor), einfacher Reimstruktur (z. B. abab oder aabb), und Themen wie Liebe, Alltag, Schmerz oder Gesellschaftskritik.

Doch in Lateinamerika – besonders im Nordwesten Argentiniens – hat die Copla ein zweites Zuhause gefunden. Dort wurde sie von indigenen Kulturen aufgenommen, in lokale Kontexte übertragen, in indigenen Sprachen oder in Mischformen gesungen – begleitet von Instrumenten wie der caja chayera, einer kleinen Trommel, die den rhythmischen Puls vorgibt, aber auch für andere Stile genutzt, wie Chacareras, Gatos, Escondidos und mehr.

Coplas sind dort Teil mündlicher Traditionen, werden auf Festen wie dem Karneval oder bei ländlichen Treffen improvisiert vorgetragen und spiegeln individuelle und kollektive Erfahrungen wider.

Esta cajita que toco
tiene lengua y sabe hablar.
Solo le faltan los ojos
para ayudarme a llorar.

Gibt es Vergleichbares im Deutschen?

Direkt vergleichbar ist die Copla nicht – aber es gibt im Deutschen funktional ähnliche Formen:

1. Das deutsche Volkslied:

Vierzeilige, gereimte, gesungene Strophen mit einfachen Themen – oft melancholisch oder lebensnah, wie in diesem Fall aus dem Niederrhein 1574:

Ich ging durch einen grasgrünen Wald,
da hört ich die Vögelein singen,
sie sangen so jung, sie sangen so alt,
die kleinen Vögelein in dem Wald,
die hört ich so gerne wohl singen.

2. Gstanzln oder Schnaderhüpfel (Bayern/Österreich):

Kurze, oft improvisierte Reimverse, gesungen bei Volksfesten – mit pointiertem, manchmal spöttischem Inhalt. Der Rhythmus, die Improvisation und die enge Verbindung zur Musik ähneln stark der Copla-Tradition.

Warum gibts so vül Buama Auf der Welt weit und breit?
Ja wei hoid des Unkraut Üwaroi guad gedeiht.

3. Moritaten/Bänkellieder:

Historisch gesungene Erzählungen mit Strophenform, oft mit dramatischem Inhalt – einst von Bänkelsängern auf Jahrmärkten vorgetragen, zum Beispiel die bekannten Lieder Leute tretet rings heran:

Leute tretet rings heran
Hört Euch die Geschichte an
Hört, was neulich an der Spree
in der Hauptstadt ist geschehn

Poetische Geschwister mit kulturellen Unterschieden

Die Copla in Argentinien ist mehr als eine Gedichtform – sie ist Teil gelebter Kultur, ein Ausdruck von Identität, Musik, Emotion und sozialem Dialog. Während es im deutschsprachigen Raum ähnliche Formen wie Gstanzln oder Volkslieder gibt, fehlt oft der rituelle oder gemeinschaftliche Stellenwert, den Coplas bei Festen, im Alltag und in der politischen Ausdruckskraft haben.

Coplas leben nicht nur im Vers, sondern in der Stimme, im Rhythmus – und in der Gemeinschaft.

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